Beispiele zur Einschätzung des TR

Unter „Bekannte Texte" wird lediglich das „Comma Johanneum" vorgestellt und unser vertrauter Lobpreis Gottes am Schluss des Herrengebetes („Vaterunser").

Texte zum Lernen" schließen zwei Stellen aus den Briefen des Paulus für den Besucher auf, damit er nachvollziehen kann, wie die Überlieferung einer Textstelle beurteilt werden kann.

Mit „Markusschluss" stelle ich mich dem Problem, dass Markus 16,9-20 als eine zeitlich spätere Hinzufügung im griechischen Standardtext (Nestle-Aland) in Klammern gesetzt wird, damit also die ursprüngliche Zugehörigkeit zum Evangelium bestritten wird. Für meinen persönlichen Glauben nämlich ist das ein sehr wichtiger Text.

Einige wichtige Vorbemerkungen zu meinen Textbeispielen, insbesondere für „Texte zum Lernen“ und „Markusschluss“: Bei den griechischen Texten wird in den Anmerkungen des Standardtextes gruppiert in „Majuskeln“ und „Minuskeln“. „Majuskeln“ bezeichnen Handschriften in Großbuchstaben, während in den „Minuskeln“ mit Kleinbuchstaben geschrieben wird und nur die Anfangsbuchstaben mancher Worte noch in Großbuchstaben geschrieben sind. Das ist schon ein grobes Kriterium für die zeitliche Einordnung einer Handschrift. Kleinbuchstaben gab es erst im Mittelalter. Die „Majuskeln“ kennen dagegen noch keine Zeichensetzung und lassen auch keinen Zwischenraum zwischen den einzelnen Worten. Die „Papyri“, die am Anfang der Überlieferung stehen, gehören allesamt noch zu den Majuskeln. So merkwürdig es klingt: eine prächtige „Minuskel“ aus dem Mittelalter ist für die Textkritik recht wertlos, da sie wohl einen späten Text abgeschrieben hat. Die ganze Masse der Handschriften, die den „byzantinischen Reichstext“ oder „Mehrheitstext“ repräsentieren, sind textlich minderwertig, da sie einen leicht verständlichen, „schönen“ Text wiedergeben. 

Auch wenn nur wenige, alte Handschriften einen etwas abweichenden Text bezeugen, kann dieser Text aus der Feder des ursprünglichen Autors sein. Eine „schwierigere“ Lesart hat eine größere Wahrscheinlichkeit als die „leichtere“ Lesart, den ursprünglichen Text zu enthalten, denn aus welchen Gründen sollte jemand den abgeschriebenen Text „verschlechtern“, während eine „Verbesserung“ gegen sich selber spricht. Es ist immer das Bestreben, Schwierigkeiten in der Verständlichkeit des Textes aus dem Weg zu räumen, aber nicht, sie zu verstärken. Auf diesem einfachen Gedanken beruht fast die gesamte, moderne Textkritik. Ich persönlich halte dieses Argument für überzeugend.