Markus 16,9-20

Dieser Text ist in Klammern gesetzt im „Standardtext", denn er wird nach denselben Kriterien beurteilt, die zur Aussonderung der Doxologie im Vaterunser führten, die ich aber nicht zum Aufbau meines Glaubens brauche und deren Wertung als „Sekundärüberlieferung" unter „Bekannte Texte" kein Anstoß für mich war.

Aber den Markusschluss möchte ich nicht kampflos als „Sekundärüberlieferung" gewertet wissen. Daher einige Gedanken zu diesem Markusschluss: Als ein längerer Schluss dem Evangelium des Markus angefügt wurde, war die christliche Gemeinde geistlich sehr stark. Das lässt sich sofort aus der Art des Textes ersehen. Wenn geistliche Gaben unbekannt gewesen wären, hätte man nicht mit solcher Selbstverständlichkeit davon gesprochen. Der Schluss hat den Anspruch, Worte Jesu zu enthalten. Dem steht nach meiner Wertung nichts im Wege. Die Auferstehung ist für mich eine klare Realität. Dann kann der Auferstandene auch reden. Es gibt viele Wege der Überlieferung. Unsere kanonischen Evangelien müssen nicht die einzige Quelle sein, wo ein „wahres" Herrenwort überliefert ist. Die zeitliche Hinzufügung eines Textes sagt doch nichts über seinen Wahrheitsgehalt aus; „später" ist nicht gleich zu setzen mit „gelogen". Für mich persönlich ist der längere Schluss des Evangeliums nach Markus weit mehr „Wort Gottes" als Stellen in der Bibel, die den Glauben nicht aufrichten. Wenn es den Erstellern des „Standardtextes“ nicht gefällt, den längeren Schluss als ursprünglich zu bewerten, ist das ihr Problem, aber es kann mich niemand zwingen, es zu übernehmen.

Ein Blick auf die Textbezeugung: Es wird angenommen, dass die Verse 9-20 im 2. Jahrhundert Markus 16 hinzugefügt wurden, um dem Evangelium einen schönen Abschluss zu geben.

Folgende Majuskeln (Unterscheidung zu Minuskeln auf der übergeordneten Seite) bezeugen den längeren Schluss:

Codex Ephraemi rescriptus (5. Jahrhundert),

Codex Alexandrinus (5. Jahrhundert),

Codex Bezae Cantabrigiensis (5. Jahrhundert),

Codex L (ein namenloser Codex aus dem 8. Jahrhundert),

Codex Freerianus (4./5. Jahrhundert),

Codex Koridethi (9. Jahrhundert).

Der Text aus Markus 16 ist mir so wichtig, dass ich die Verse 15-18 in eigener Übersetzung neben den griechischen Text setze:

(15) καὶ εἶπεν αὐτοῖς• πορευθέντες εἰς τὸν κόσμον ἅπαντα κηρύξατε τὸ εὐαγγέλιον πάσῃ τῇ κτίσει.

(15) Und er sprach zu ihnen: Wenn ihr in die ganze Welt geht, verkündigt das Evangelium der ganzen Schöpfung.

(16) ὁ πιστεύσας καὶ βαπτισθεὶς σωθήσεται, ὁ δὲ ἀπιστήσας κατακριθήσεται.

(16) Wer glaubt und getauft wird, wird gerettet werden. Wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden.

(17) σημεῖα δὲ τοῖς πιστεύσασιν ταῦτα παρακολουθήσει• ἐν τῷ ὀνόματί μου δαιμόνια ἐκβαλοῦσιν, γλώσσαις λαλήσουσιν καιναῖς,

(17) Solche Zeichen werden die begleiten, die glauben: in meinem Namen werden sie Dämonen herauswerfen, in neuen Zungen (=Sprachen) werden sie reden,

(18) [καὶ ἐν ταῖς χερσὶν] ὄφεις ἀροῦσιν κἂν θανάσιμόν τι πίωσιν οὐ μὴ αὐτοὺς βλάψῃ, ἐπὶ ἀρρώστους χεῖρας ἐπιθήσουσιν καὶ καλῶς ἕξουσιν.

(18) [und mit ihren Händen] werden sie Schlangen hoch heben und wenn sie etwas Giftiges trinken, wird es ihnen nicht schaden, auf Kranke werden sie die Hände auflegen und es wird ihnen gut gehen. (Luther schwächt es ab: so wird's besser mit ihnen werden.) Die Verheißung im letzten Satz ist mir persönlich besonders wichtig. Es ist in Markus 16 auch keine zeitliche Begrenzung gegeben: Die Glaubenden in den ersten Jahrhunderten werden... Es ist nicht begründbar, dass diese Verheißungen heute nicht mehr gelten. Es steht aber da: Wer glaubt... Es ist ganz einfach: Wen diese Zeichen nicht begleiten, der glaubt nicht. Wenn diese Zeichen noch nicht sichtbar sind, ist eine Entscheidung erforderlich: Vertraue ich den Verheißungen oder lass ich mich herunterziehen von dem, was viele andere Menschen behaupten.

 

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