Angebliche "Urtextkürzungen" am TR

Rezension: Marcel de la Croix, Ben Kent: Von Gott inspiriert und von Menschen revidiert! Was spricht gegen die modernen Urtextkürzungen der Heiligen Schrift des Neuen Bundes? o.O. 2000 Eine knappe Rezension muss genügen, denn eine lange Erörterung ist dieses Heft nicht wert. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht der „durchgefallene Codex Vaticanus“(S.40), der dem „Textus Receptus“ angeblich unterlegen ist. Die „lächerliche“ Begründung der Harmonisierung zweier Textstellen durch die Textkritik (S.32) überzeugt mich! Man kann zumindest erklären, dass ein Text der Synoptiker aus der Parallelstelle aufgefüllt wurde, ohne dass man bösartige Absichten unterstellen muss. Man hat die Ergänzung gewählt, weil man einen möglichst vollständigen Text zu besitzen wünschte. „Cui bono“ ist die erste Frage bei einem jeden Verbrechen. Wer soll aus einem nachvollziehbaren Grund Urtextkürzungen vorgenommen haben? Gerade Stellen, die z.B. die Heilsbotschaft oder die Wunder Jesu (vgl. S.48) betreffen, wird doch niemand kürzen. Kein Papst oder Würdenträger wird auf die Idee kommen, an dem Ast zu sägen, auf dem er sitzt. Was wäre der Vorteil einer solchen Kürzung? Es kommt doch niemand auf den unsinnigen Gedanken, „dem Sohn Gottes und dem Vater im Himmel …die Ehre“(S.49) zu rauben. Fehlt aber jedes Motiv, kann man allerhöchstens den Verstand beim Abschreiber anzweifeln, wenn er bewusst gehandelt hat. Mit einer gewissen Skepsis gehe ich daher auf die eigentliche Untersuchung ein. Der Autor untersucht die „Schnittmenge“, genauer die Abweichungsstellen bei 4 Urtextrekonstruktionen, von denen in seinem „Wald- und Wiesen Literaturverzeichnis“ (S.79f.) nur 2 angeführt werden, und kommt besonders in einem 2.Durchgang zu einem vernichtenden Urteil über den Codex Vaticanus, den er als „weströmisch“ bezeichnet. Die enge Verwandtschaft zum Codex Sinaiticus belegt aber schon, dass es sich beim Vatikan nur um den Aufbewahrungsort handelt, er wird einfach zu Recht dem ägyptisch-alexandrinischen Umfeld zugeordnet. Da mein Exemplar des Textus receptus, den er in irgendeiner Form berücksichtigt hat, keinen kritischen Apparat hat, kann ich seinen Vergleich nur erahnen. Er hat sich offensichtlich auf Matthäus beschränkt. Mehr kann ich den Ausführungen leider nicht entnehmen, da ich keine Möglichkeit sehe, die Zahlen zu überprüfen trotz hübscher Skizzen auf S.43f. Wer so unverständig mit seinen Vorlagen umgeht, dem „glaube" ich nicht einfach etwas. Da die Basis diesem Heft fehlt, genügen die Ausführungen jetzt bereits, um jeden Leser zu warnen, der sich kein eigenständiges Urteil bilden kann. Erasmus wollte die Erstausgabe herausbringen, sein Verleger war Froben (nicht Elzevier, wie S.13 behauptet wird; auf ihn geht die Benennung „Textus Receptus“ ca. 100 Jahre nach Luthers Tod zurück). Erasmus und Elzevier haben wohl aus Gewinnsucht gehandelt – nicht weil Gott sie gebraucht hat. Eine „Urtextverstümmelung“(S.8) im Codex Vaticanus oder ähnlichen Schriften ist nicht mehr als Unterstellung. Der sog. Urtextstreit ist nie dienlich gewesen, sondern ist nur Wichtigtuerei einiger Fundamentalisten. Der „Reformatorische Grundtext" ist eine romantische Erfindung, es gab allenfalls einen „humanistischen“ Grundtext, man kann Erasmus von Rotterdam bei aller Fantasie nicht zum Reformator machen. Den „Textus Receptus" will auch kein verständiger Textkritiker zurück, sondern propagiert allenfalls den „Mehrheitstext". „Textkritiker“ bezeichnet übrigens keinen voreingenommenen Bibelkritiker, sondern er stellt sich der Situation der vielen tausend Handschriften, bei denen man werten muss, weil man ansonsten nicht arbeiten kann.

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